FACHBETRIEB FÜR BAUMPFLEGE & SPEZIALFÄLLUNGEN
Donnerstag, 07. März 2019

Vogelschutz und Baumpflege

Vögel sind Zivilisationsfolger und der städtische Baumbestand ist ihr Rückzugsgebiet. In dem feinnervigen Bereich urbanen Zusammenlebens spielt das Verhältnis von Vögeln und Baumpflegern eine besondere Rolle.


"Mein Bruder bat die Vögel um Verzeihung. Das scheint sinnlos, und doch hatte er recht; denn alles ist wie ein Ozean, alles fließt und grenzt aneinander; rührst Du an ein Ende der Welt, so zuckt es am anderen."

Fjodor Michailowitsch Dostojewski – Die Brüder Karamasov VI, 3 (1879/80)

Bei unserer Arbeit rund um den Baum sind wir uns dieser Tatsache stets voll bewusst und werden ihr durch Respekt und Rücksicht gerecht. In dem feinnervigen Geflecht urbaner Ballungsräume gehört der Vogelschutz dabei zu einer der schwierigsten Aufgaben und soll im Folgenden etwas näher beleuchtet werden.

Die Klasse der Vögel ist die artenreichste der Landwirbeltiere. Sie umfasst etwa 10.474 Vogelarten mit etwa 35.000 Unterarten. Vor 350 bis 200 Millionen Jahren erhoben sich Insekten in die Lüfte und blieben dort für etwa 150 Millionen Jahre unter sich. Dem steten Kampf um Nahrung und Überleben geschuldet folgten den Insekten dann gigantische Flugsaurier und beherrschten diesen Lebensraum bis vor 65 Millionen Jahren – ihre Flügel bestanden aus Haut, die sich zwischen Knochen und Knöcheln aufspannte.

Der evolutionäre Link zum heutigen Federvieh fehlte lange Zeit. Bis 1860 im Gemeindesteinbruch Solnhofen der Fund einer versteinerten Feder für Furore sorgte und im Jahr darauf ganz in der Nähe, der Fund des ersten vollständigen Skeletts eines Archaeopteryx. Bisher wurden mindestens neun weitere dieser "Urvogel"-Fossilien gefunden und ihre Bedeutung für die Wissenschaft ist enorm. Denn was Darwin ein Jahr zuvor behauptete, aber nicht belegen konnte, wurde nun steinerne Wahrheit: das Bindeglied zwischen Reptilien und Vögeln war entdeckt, die Evolutionstheorie hatte ihr schlagkräftigstes Argument gefunden.

Vögel sind die mit Abstand besten Luftakrobaten, die die Welt je gesehen hat. Sie fliegen in schwindligen Höhen und gefährlich nahe über dem Boden, mit Hochgeschwindigkeit und in der Luft stehend, aber immer mit überragender Präzision und Körperkontrolle. Obwohl die Erde von zahlreichen, extrem lebensfeindlichen Gebieten beherrscht wird, gibt es kaum einen Ort auf diesem Planeten, den Vögel nicht erobert hätten. Ihre außergewöhnliche Anpassungsfähigkeit, die von der Abweichung einfacher Verhaltensweisen bis hin zur Veränderung anatomischer Gegebenheiten reicht, macht ihnen das möglich.

Aber weder die eisigen Weiten der Antarktis, noch der kochende Sand der Wendekreiswüsten oder die vulkanischen, ätzenden Heißwasserquellen in Afrika haben die Vögel in ihrer über 200 Millionen Jahre alten Geschichte so herausgefordert, wie die Anpassung an ein Phänomen, das vor etwa einem Jahrhundert seinen Siegeszug antrat: die moderne, urbane Metropole – eine Wildnis aus Glas und Ziegel, Beton und Stahl.
Ohne eine Wertung vornehmen zu wollen, lässt sich feststellen, dass Mülldeponien Vögeln als Nahrungsquellen dienen, Gebäude und deren Vorsprünge als Nistplätze herhalten und, wie in manchen Fällen beobachtet, der Straßenverkehr als Hilfe zum Knacken von Nüssen genutzt wird. Diese Beispielliste ließe sich um ein Vielfaches erweitern und doch gibt sie schon jetzt eine Ahnung davon, wie der Mensch diese Tiere in neue Abhängigkeiten gedrängt hat und deshalb zweifelsohne Verantwortung für sie trägt. Das gilt im Besonderen für das Tätigkeitsfeld der Baumpflege, weil sie täglich mit dem Rest an natürlichem Lebensraum in urbanen Ballungsräumen zu tun hat, den die Vögel bewohnen: dem städtischen Baumbestand.

Die juristische und gesellschaftspolitische Seite des Vogelschutzes ist sehr umfangreich, und kann an dieser Stelle keine genaue Erläuterung erfahren. Aber kurz umrissen ist Vogelschutz eine Sammelbezeichnung für sämtliche Maßnahmen, die zur Erhaltung, Förderung oder Ansiedlung von Vögeln geeignet ist. In behördlichen Zuständigkeitshierarchien stellt der Vogelschutz eine Teileinheit des Naturschutzes dar und wird wissenschaftlich von der Ornithologie untermauert. (http://de.wikipedia.org/wiki/Vogelschutz). Der Vogelschutz ist größtenteils auf europäischer Ebene geregelt und wird dann entsprechend auf nationale und wiederum landesweite Gesetze umgelegt. Für Bayern gilt die "Verordnung über die Festlegung von europäischen Vogelschutzgebieten sowie deren Gebietsbegrenzungen und Erhaltungszielen (VoGEV)" in der Fassung vom 12. Juli 2006.
In engem Zusammenhang mit der Baumpflege stehen die Themen Naturschutz, Baumschutz und Artenschutz. Das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sieht den Zeitraum vom 1. März bis 30. September als einen vor, in dem Vögeln nicht unnötig Nist- und Brutstätten durch Fällungen oder Schnittmaßnahmen entzogen werden dürfen. Die Auslegung dieses "Allgemeinen Artenschutzes" (§§ 39-43) obliegt vor allem der Unteren Naturschutzbehörde und entsprechenden Fachfirmen, die in der Lage sein müssen, ihre Entscheidungen ausreichend dokumentieren und begründen zu können.
Darüber hinaus hat der "Besondere Artenschutz" (§§ 44-47) uneingeschränkt Geltung. Dieser verbietet die Zerstörung tatsächlich vorhandener oder regelmäßig benutzter Brut- oder Niststätten.  

Es scheint, als ob das Bedürfnis des urbanen Menschen, wilde Tiere, wie es Vögel sind, in seiner Nähe zu wissen, ebenso stark ist, wie seine Regung, sich die Natur untertan zu machen und den Schutz der Vögel zugunsten seiner eigenen Interessen hintan zu stellen. Vogelschutzorganisationen, Verbände und Vereine einerseits - Abwehr, Ausrottung und Ahnungslosigkeit andererseits.

Lösen werden wir dieses Problem nicht können, aber im Umfang unserer Möglichkeiten als Baumpflegfirma übernehmen wir Verantwortung für den Lebensraum Baum und wollen den Vögeln, unseren städtischen Mitbewohnern, gute Nachbarn sein.

mpr