Baum des Jahres 2012: Die europäische Lärche
Einsamkeit und Kälte erträgt sie seit Jahrtausenden, sogar ohne Kleid im Winter. Ihre Widerstandskraft hat sie berühmt gemacht und ihr Saft heilt alle Wunden - wer ist diese Dame unter den Nadelhölzern?
"Glücklich der Mensch, der Bäume liebt, besonders die großen, freien, die wild wachsen an der Stelle, wo die unendliche Kraft sie gepflanzt hat und die unabhängig geblieben sind von der Fürsorge der Menschen."
Prentice Mulford (1834-1891)
Die Europäische Lärche: Ein Baum, den man natürlich vorkommend vor allem in den menschenleeren Höhen der Alpen und Ostkarpaten findet, der dort auch dem strengen Frost von bis zu - 40 °C standhält, dessen Stamm über 3 Meter Durchmesser erreichen kann und von dem man annimmt, dass einige Exemplare über 2000 Jahre alt sind, ist ein Musterbeispiel an stolzer Unabhängigkeit in bis zu 2900 Metern Höhe. Prachtexemplare beheimatet das Schweizer Wallis und das Südtiroler Ultental.
Auf den Weg in diese karge Gegend hat sich die ausgesprochen lichtbedürftige Lärche gemacht, als nach der letzten Eiszeit vor 10.000 Jahren die Wiederbewaldung nicht nur Konkurrenten aus der selben Ordnung der Koniferen, wie die Waldkiefer, auf den Plan brachte, sondern auch die weitaus schattentoleranteren Laubbäume. Man könnte mit dem Wort spielen und sagen, dieser Kampf habe sie abgehärtet: ihr Holz ist – abgesehen von dem der Eibe – das härteste unter den europäischen Nadelhölzern. Dessen Harzanteil ist sogar höher als der von Kiefernholz und verleiht der Europäischen Lärche eine starke Widerstandskraft gegen Schädlinge, Wassereinwirkung und Witterung, sowie eine beachtliche Schneebruch- und Sturmfestigkeit.
Diese Eigenschaften machen sie natürlich auch für den Menschen ausgesprochen interessant und er pflanzt die Europäische Lärche in ganz Europa an. Während sie in der Alpenrepublik Österreich 26 % der Waldfläche ausmacht, ist der deutsche Forst nur zu 1 % von ihr bewaldet und ihr Holz wird demnach gerade hierzulande als ziemlich wertvoll geschätzt. Das Splintholz, jene junge, weiche, äußere Holzschicht eines Stammes, deren lebende Zellen Wasser leiten und speichern, ist beim Holz der Europäischen Lärche höchstens 3 cm breit und damit ungewöhnlich schmal. Demzufolge ist der braunrote Kernholzanteil, der sich wegen seiner zähen Dauerhaftigkeit besonders für den Gebrauch im Außen- und sogar Wasserbereich eignet, sehr hoch.
Vom Schiffsmast, über die Dachschindel und das Fass, bis hin zur Eisenbahnschwelle fand dieses Holz im “Hölzernen Zeitalter“ Verwendung. Eine Zeit, in der auch ihre Rindenextrakte in der Gerberei verarbeitet wurden und man aus ihrem Harz das begehrte “Venezianische Terpentin“ herstellte, ein auch heute noch begehrter Bestandteil von Heilsalben. Ohne Imprägnierung und Schutzanstrich hält ihr Holz nach wie vor in Haustüren, Balkonbrüstungen, Fassadenverkleidungen, Terrassenmöbeln und im Brückenbau länger durch und dicht als jedes andere heimische Holz.
Und, so erzählt man sich in den Alpen, auch die gute Waldfee weiß die Lärche zu schätzen. So wohnt sie tief in ihrem Innern und hält von dort ihre schützende Hand über die nächststehende Hütte und ihre Bewohner, bewahrt sie vor Blitzeinschlag und kämpft gegen Faune, Trolle und Gnome, die allesamt in den finsteren Tannen und Fichten der Bergwelt hausen.
Abschließend nun zur kuriosesten Eigenschaft des Titelgewinners 2012: Die Europäische Lärche ist – als einzige in Europa beheimatete Konifere – sommergrün, das heißt, sie verliert ihre etwa 4 cm langen, weichen Nadeln zwischen Oktober und November. Aber nicht bevor sie diesen das Chlorophyll und mit ihm andere Nährstoffe entzogen hat, um sie dem Stamm als Winternahrung zuzuführen. Kurz, wie bei den Laubbäumen färben sich auch die Nadeln der Lärche goldgelb und fallen schließlich ab. Und dann, als eine der ersten Frühlingsboten, stehen ihre rosaroten weiblichen und hängen ihre schwefelgelben männlichen Blütenstände bereits im März oder April an den kurz darauf wieder hellgrün “benadelten“ Ästen. Ihre Pollen werden von guten Winden in ganzen Wolken davongetragen und die weiblichen Blütenstände wachsen bis zum Herbst zu durchschnittlich 3 cm langen, hellbraunen Zapfen heran, aus denen jetzt die geflügelten Samen herabfallen. Zurück bleibt ein ergrauter Zapfen, der mit dem Baum altert und erst nach fünf bis zehn Jahren mit dem Ast abfällt, auf dem er gewachsen ist.
Wie die Europäische Lärche mit dem botanischen Namen Larix decidua, was soviel meint wie „die Lärche mit den abfallenden Nadeln“, zu ihrer wohlverdienten Auszeichnung kommt und warum 2011 die Elsbeere diesen Titel bekommen hat, können Sie in der Rubrik "Aktuelles" nachlesen.
mpr