FACHBETRIEB FÜR BAUMPFLEGE & SPEZIALFÄLLUNGEN
Sonntag, 21. April 2013

Baum des Jahres 2013: Der Wildapfel

Wahrscheinlich ist er der Urahn unseres heutigen Kulturapfels. Und auch wenn man ihn nur noch selten sieht, fällt er im Frühjahr besonders auf: Dann verströmen seine zart rosafarbenen Blüten einen herrlichen Duft und erfüllen die Luft mit Frühlingsgefühlen.


Der Apfel, der im Lateinischen "Malus" heißt und damit übersetzt "das Böse", der Apfel, der im Heiligen Römischen Reich in Form des goldenen Reichsapfels zum mächtigsten Herrschaftssymbol links vom Zepter wurde, der Apfel, der bei Michelangelo für die Fruchtbarkeit Marias steht und im Hexenhammer für die Verderbtheit der magischen Frauen. Der Apfel, den sich im Mittelalter das frisch vermählte Paar in der Hochzeitsnacht teilen sollte, aber den man niemals kurz vor seinem Tod essen sollte, da man sonst für immer verdammt war. Zwiespältiger kann man als Obstbaum kaum in die Kulturgeschichte des Menschen eingehen. Die Liste der mit einem Apfel verbundenen Geschichten, Anekdoten und Bilder ist erstaunlich lang und bunt:


Während Adam und Eva einst um den paradiesischen Baum der Erkenntnis herumscharwenzelten und dem verführerisch roten Apfel nicht wiederstehen konnten, kam König Arthur mit einer tödlichen Verwundung ins sagenumwobene Avalon – das keltische Paradies, was soviel bedeutet wie die "Insel der Äpfel". Wilhelm Tell sah sich gezwungen, mit einem meisterhaften Pfeilschuss einen Apfel von des Sohnes Kopf zu schießen und Friedrich Schiller soll stets zwei überreife Äpfel in der Schublade seines Schreibtisches aufbewahrt haben, um sich von dem süßlichen Geruch inspirieren zu lassen. Von Ramses I. ist überliefert, dass er sich täglich einen Korb Äpfel bringen ließ und auch deshalb stolze 60 Jahre alt wurde. Dann wären da noch das tragische Schneewittchen und der vergiftete Apfel und der strenge Nikolaus mit einem Sack voll dieser rotbackigen, süßsauren Köstlichkeit. Doch wo nimmt diese erstaunliche Frucht samt Baum ihren Anfang?


Der Wildapfel, lateinisch "Malus sylvestris" hat asiatische Verwandte, die bereits 10.000 vor Christus in der Region um die heutige Hauptstadt Kasachstans Alma-Ata, der "Stadt des Apfels", wuchsen. Diese Ur- oder Holzäpfel sind recht klein, voller Kerne und sehr sauer. Sie sind die Früchte einer Blüte, die in Schönheit und Duft ihresgleichen sucht und an der gut erkennbar ist, dass der Apfel eigentlich der Familie der Rosengewächse entstammt.
Wer sich so ziert, der weckt das Interesse des Menschen. Und so kam der Apfel zum einen über die alten Handelsrouten und zum anderen im Marschgepäck der Armeen von Alexander dem Großen über Persien und die Türkei nach Griechenland. Es ist anzunehmen, dass hier die Kultivierung dieses anfangs schier ungenießbaren Obstes begonnen hat, das dann im Römischen Reich als teures und schmackhaftes Statussymbol auf den Tischen der Betuchten landete.


Aber es ist eben nicht dieser Kulturapfel, mit dem latinischen Namen "Malus domestica", den die Dr. Silvius Wodarz Stifung zum Baum des Jahres 2013 gewählt hat, sondern dessen mutmaßliche Stammform: der vom Aussterben bedrohte Wildapfel. Der liebt das Licht und gedeiht schlecht ohne, aber im Kampf um die begehrten Sonnenstrahlen ist der Wildapfel konkurrenzschwach und wächst zudem auch noch eher langsam. Das führt dazu, dass er in sehr nasse oder trockene Gebiete verdrängt wird, wie zum Beispiel in die Überschwemmungswiesen und Auen von großen Flüssen wie Rhein oder Donau, wo man den bis zu zehn Meter hohen Baum noch häufiger sieht.


Das Holz des mit 80 bis 100 Jahren relativ kurzlebigen Baumes, hat wegen seiner geringen Dauerhaftigkeit und seiner harten Schwere nur wenig materiellen Nutzen in der Holzverarbeitung. Einerseits ein Fluch, da man ihm wenig Beachtung schenkt, andererseits ein Segen, weil der Wildapfel so ungestört ein Hort von Artenvielfalt und ökologischen Werten sein kann: Die dicht verwachsenen Äste dienen Vögeln und Fledermäusen als Versteck und Nistplatz, die Blüten, Blätter und Früchte schmecken zahlreichen Tieren.


Zu Ehren dieses Baumes, der aller Wahrscheinlichkeit nach der Urahn jener Frucht ist, von der jeder Deutsche im Jahr fast 20 Kilogramm isst, sollte man es ganz so halten, wie der kluge Martin Luther schon vor über 500 Jahren: "Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen.” Man kann ja nie wissen.

mpr